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Herr Beuss Text

Begegnung mit der Natur



Geheimer Schatz

In die weiten Taschen im Lumpenkleid der Vogelscheuche soll man früher sehr gern ein Gebet oder auch einen «heidnischen›› Zauberspruch hineingelegt haben. Dies sollte helfen, nicht nur das gefiederte Volk zu vertreiben, sondern auch, wie es unter anderem noch der Volkskundler Hans Zulliger (Ittigen) aus seiner Kindheit wusste, „das böse Wetter, namentlich den Hagel vorüberziehen zu lassen“: Die Worte, die säuberlich auf ein Papier geschrieben wurden, stammten selbstverständlich aus einem der volkstümlichen „Rezeptbüchern“, wie etwa dem „6. und 7.Buch Mosis“, die in bestimmten ländlichen Gegenden wohl in jedem Haus in der Truhe lagen und auch eifrig benutzt wurden.

Durch solche Versuche, die Vogelscheuchen zu „Schutzwehren gegen die verschiedensten Übel“ werden zu lassen, begegnen sie sich mit den sagenhaften „Schutzpfählen wider die wilden Wasser“. Diese rammte man, im Österreichischen wie auch etwa im Wallis, in die Abhänge um die zu Überschwemmungen neigenden Flüsse: Sie sollten den anschwellenden Wellen zeigen, „wie weit sie steigen durften, ohne das Land für Menschen und ihr Vieh“ zu gefährden.

Stolz und „hoch über dem Land aufragende“ Vogelscheuchen scheinen zusätzlich für die um sie herum aufwachsenden Pflanzen als Vorbilder gedient zu haben, sich möglichst stark und gerade nach oben zu entwickeln. So wehten die Lumpen, die die Vögel erschrecken sollten, gerade auf den Hanffeldern von besonders hohen, «aufrechten›› Stecken: Dies sollte die Pflanzen in der Umgebung dazu bewegen, ganz entsprechend in der Höhe, „dem blauen Himmel zu“, die für sie nützliche Entfaltung zu finden.

Auch solche Bräuche und Volksglauben, die wir im Umkreis der Geschichten um die Vogelscheuchen vorfinden, verweisen auf eine sicher sehr ursprüngliche Vorstellung: Auch die Pflanzen sind Lebewesen, die der Schöpfer in einem bestimmten Masse mit Sinneswahrnehmungen, seelischen Vorgängen, Zuneigungen zu und Abneigungen gegen die Vorgänge in ihrer Umgebung beschenkte. Wer beim Tun und Lassen ihnen gegenüber dies Völlig vergisst, handelt unrecht und schadet schlussendlich vor allem auch sich selber.

Zitiert aus: Sergius Golowin und andere: Magie der Vogelscheuchen, AS Verlag Zürich, 1997.

 
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